Essays

Ein Essay zum Nahost-Konflikt: vor 20 Jahren verfasst und leider gültiger denn je...


Ausgehend von meiner, vergleichsweise, sehr bequemen und sicheren Pariser Warte aus, kann ich mir zum Ausbruch und Verlauf des gegenwärtigen Kriegs im Nahen Osten keine relevanten Beobachtungen anmaßen. Wir, hier in Europa, erhalten ja bereits zahllose aufwühlende, sehr treffende und sich oft unabsichtlich ergänzende Reportagen und Analysen von Menschen, die vor Ort berichterstatten, trauern, leiden und kämpfen. 
Allerdings erlaube ich es mir, auf einen Artikel zu verweisen, den ich bereits vor über zwanzig Jahren in der Wiener Jahreszeitschrift "Das jüdische Echo" veröffentlicht habe. Dargelegt hatte ich damals:
* die extrem einengenden strukturellen Gegebenheiten der Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern, an denen alle Anläufe für einen dauerhaften Ausgleich und zivilgesellschaftlich verankerten Frieden zu scheitern schienen und weiterhin zu scheitern scheinen.  
* die symbolische Überfrachtung dieses Konflikts an der Schnittstelle zwischen dem in (West-)Europa geläufigen Geschichtsverständnis und dem Erfahrungshorizont jener Weltgegenden, die heute als "globaler Süden" bezeichnet werden,
* die Verklammerung des schicksalsbedingten Selbstverständnisses der Menschen aus jüdischen Familien weltweit und allen voran der meisten  Überlebenden des Holocausts in Europa und den USA mit dem Los der Juden, die es nach Israel verschlagen hatte.
* die Parallel- und Folgewirkungen für die Juden der muslimischen Länder, die mehrheitlich in Israel Zuflucht fanden.
* der Umgang Israels mit den widrigen geopolitischen Wahrscheinlichkeitsregeln.
Diese von mir damals beschriebenen Konstellationen und formulierten Prognosen scheinen mehr denn je zuzutreffen.

 

Allerdings beschäftigte ich mich in einem ersten Teil dieses Artikels mit meinem Verhältnis zu Österreich, das sich damals in der von Jörg Haider maßgeblich geprägten Ära befand.
Die aus meiner Sicht noch immer gültige Darstellung der nahöstlichen Problematik erfolgt erst im zweiten, abschließenden Teil des Artikels – ab Seite 140 (gemäß der Seitenreihung der damaligen Ausgabe des „Jüdischen Echo“, die in der Wiedergabe des Artikels sichtbar ist) und ab dem Zwischentitel: “Selbstwertgefühl durch Tel Aviver Fußball- und Sharon-Fans“.

 

Danny Leder, 22.10 2023

Einen Schritt beiseite wagen

Der erweiterte Blick auf die Vielfalt der ethnischen und geographischen Ursprünge der jüdischen Gemeinschaften ebnet den Weg in die universelle Trivialität.

 

Verflossene, antike, spätantike und frühmittelalterliche Herrschafts-Gebilde auf Gebieten des heutigen (nördlichen) Iraks bzw. Kurdistans, des Jemens, Algeriens und des (südlichen) Russlands hatten phasenweise und in unterschiedlichem Ausmaß den jüdischen Monotheismus angenommen. Ausgehend von diesen Territorien, ihrem Umfeld und Ausläufern lässt sich der Fortbestand und die spätere, neu-zeitliche Entfaltung der jüdischen Gemeinschaften nachzeichnen / Die Konstituierung jüdischer Glaubensgemeinschaften in den letzten Jahrzehnten in afrikanischen Ländern südlich der Sahara folgt, wenn auch in bescheidenerem Ausmaß, dem einstigen Expansionsmodus der sukzessiven Varianten des Judentums: also der Konversion von Gruppen vielfältigster Provenienz.

Magazin "Nu", September 2019

Im blinden Winkel der Rückblicke auf den Mai 1968:

Der längste Generalstreik der Geschichte, in dessen Vorlauf die "Christliche Arbeiterjugend" Westfrankreichs eine Schlüsselrolle spielte

Nur in Frankreich kulminierte das Umbruchsjahr 1968 in einem Arbeiteraufstand, der die Staatsmacht ins Wanken brachte. Die Lunte für den sozialen Flächenbrand hatten ursprünglich nicht Pariser Studenten und schon gar nicht die widerwillige KP gelegt, sondern Aktivisten, die aus der katholischen Arbeiterbewegung kamen und in Westfrankreich verankert waren. Dort hatten schon zu Beginn des Jahres 1968 junge Arbeiter mit heftigen Streiks, Betriebsbesetzungen und Festnahme ihrer Werksleiter gegen die rücksichtslose Antreiberei in den Fabriken aufbegehrt und der Polizei erbitterte Straßenschlachten geliefert.

Zwischenwelt, Zeitschrift der Theodor-Kramer-Gesellschaft, Juni-Mai 2018

Terror und Sexualität

Der Attentäter von Nizza war vielseitig sexuell aktiv - in einer Weise, die den religiösen Vorgaben der Fanatiker des "Islamischen Staats" diametral zuwiderläuft. Aber diese extrem Spannung zwischen persönlicher Neigung und Tabu beflügelt den (Selbst-)Vernichtungstrieb so mancher Dschihadisten.

Kurier, 19.7.2016

Sie ließen uns hängen

In Paris gingen nicht alle gegen den Terror auf die Straße. Die Jugendlichen aus den Cités fehlten.

Falter, 14.1.2015

Fromme Fluchten

In Frankreich lebten Juden und Muslime so eng zusammen wie kaum sonst in Europa. Das ist vorbei.

Süddeutsche Zeitung, 16.1.2015

Nach der antijüdischen Welle vom Sommer

Durcheinander an der Seine

Dem brachialen Judenhass eines Teils der muslimischen Jugend und der Normalisierungsstrategie von Marine Le Pen hält das ursprüngliche Koordinatensystem der französischen Zivilgesellschaft nur schwer stand. Innerhalb des "jüdischen Milieus", im weitesten Sinn des Wortes, hat sich eine Neugewichtung der Strömungen vollzogen. Gleichzeitig hat sich die Wahrnehmung "der Juden" und ihres Verhältnisses zu den so genannten "sichtbaren Minderheiten" (Franko-Maghrebiner, Franko-Afrikaner und Franko-Kariber) bei einem Teil der französischen Öffentlichkeit spürbar verändert.

Erschienen in "Das Jüdische Echo" und auf www.hagalil.com, Oktober 2014.

Wieviel "Sarrazin" verträgt Europas "Genpool"?

Wer an einen, durch Zuwanderung gefährdeten "europäischen Genpool" glaubt und Sarrazin heißt, muss für seinen Familienname Abbitte leisten.

Oktober / November 2010, "Hagalil", "Falter".

Österreich, Israel, Palästina - im Verhängnis konträrer Erinnerungskulturen

- Mentale Hygiene und österreichisches Brauchtum.
- Zwangsverpflichtete Nachlaßverwalter der ausgelöschten Familien.
- Selbstwertgefühl durch Tel Aviver Fußball- und Sharon-Fans.
- Israel als Schnittstelle im globalen Wettstreit der Leidensgeschichten.
- Verstoß gegen geopolitische Wahrscheinlichkeitsregeln.

Oktober 2002, "Das jüdische Echo"

Zweck und Vergänglichkeit der Stämme

Durch welche sozialhistorischen Prozesse die postulierten und phantasierten tribal-familiären Konturen des "jüdischen Volks" teilweise Realität wurden.

Oktober 1993, "Das jüdische Echo".